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Tagungsbericht: Mapping the Territory: Exploring People and Nature, 1700–1830

Autor / Autorin des Berichts: 
Dorothee Rippmann
dorothee.rippmann@hist.uzh.ch
Historisches Seminar, Universität Zürich

Zitierweise: Rippmann, Dorothee: Tagungsbericht: Mapping the Territory: Exploring People and Nature, 1700–1830, infoclio.ch Tagungsberichte, 2017. Online: infoclio.ch, <https://doi.org/10.13098/infoclio.ch-tb-0158>, Stand:


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Die Tagung stand im Zeichen der neuerdings erfolgten Verschiebung von Wissenschaftsgeschichte hin zu Wissensgeschichte. Sie bildete den Abschluss eines von Simona Boscani Leoni geleiteten Forschungsprojekts „Kulturen der Naturforschung. Akteure, Netzwerke, Orte und Themen der wissenschaftlichen Kommunikation in der Frühen Neuzeit“ (17. Jh. bis ca. 1830). In ihrer Begrüßungsansprache umriss SIMONA BOSCANI LEONI (Bern) das Projekt und die Konferenzziele. Beide interessierten sich für eine zentrale Entwicklung in der Geschichte der Frühen Neuzeit: die Erforschung der Natur und der verschiedenen Praktiken, die sich in diesem Rahmen ausgebildet haben, sowie die Techniken der Informationsbeschaffung und die Dynamiken der Kommunikation von naturkundlichem Wissen auf lokaler, überregionaler und internationaler Ebene. Von den Ergebnissen des Projekts ausgehend standen die Erforschung und Erfindung „lokaler Naturen“ im Fokus der Konferenz. In der Frühen Neuzeit begannen sich einzelne Akteure, die vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegründeten Sozietäten, aber auch staatliche Organisationen zunehmend für die Erforschung und die genaue Erfassung der sie umgebenden Territorien zu interessieren. Ihre Untersuchungen fokussierten sowohl auf die Pflanzen und Mineralien, als auch auf die Traditionen und die Lebenssituation der Bewohner. Zentral war in dieser Hinsicht die Frage, inwiefern diese Forschung erst zur Konstruktion der Territorien beitrug und wie die „Inventarisierung“ von Natur und Menschen die Entstehung von Kategorien wie „lokal“ und „einheimisch“ beeinflusste.

ALIX COOPER (New York) eröffnete die Reihe mit Überlegungen zum Konzept des Indigenen und zu lokalem Wissen.1 Ausgehend von ihren Forschungen zur „Erfindung des Indigenen“ im deutschsprachigen Raum im 17. und 18. Jahrhundert erkundete sie die Bedeutungen von Bezeichnungen wie „einheimisch“ bzw. „native“ und „domestic“ in verschiedenen Kontexten und regte Vergleiche mit anderen Räumen und Wissenstraditionen an. Hierfür schlug sie eine „Taxonomie der Informanten“ vor: Die Untersuchung von Perspektiven unterschiedlicher sozialer Schichten (u.a. Kreolen, Sklaven, Bedienstete) sollte helfen, die Asymmetrie der Beziehung zwischen Forschern und „Erforschten“ zu problematisieren und ein umfassenderes Verständnis von lokalem Wissen zu erhalten.

So stand die Frage im Raum, in welcher Weise die Kontakte zwischen Reisenden und „Einheimischen“ das koloniale Wissen beeinflussten. Dass solche Kontakte mitunter auf der Basis von Respekt des Reisenden gegenüber seinen Gastgebern und durch „teilnehmende Beobachtung“ avant la lettre geschahen, führte PETER HANNS REILL (Los Angeles) vor. Prinz Maximilian Wied-Neuwied (1782-1867) entstammte einem Fürstenhaus, in dem Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten geübt wurde. Er hatte in Göttingen bei Blumenbach studiert, einem Verfechter der spirituellen und geistigen Gleichheit aller Völker. Prinz Maximilian unternahm 1815-17 und 1832 Forschungsreisen in Süd- und Nordamerika und verfasste ethnographische Beschreibungen der Botokuden in Ost-Brasilien einerseits und der Mandan (oberer Missouri) andererseits. Seine Texte sind der Versuch, einem indigenen Volk eine eigene Stimme zu geben. Er äußerte sich nicht nur über die Lebensweise, die Geschlechterbeziehungen und die Sitten der Menschen, sondern kritisierte das Verhalten der Europäer und dekonstruierte europäisch-imperiale Stereotypen.

Zu Beginn der 1. Sektion stellte MARCELO FABIÁN FIGUEROA (San Miguel de Tucumán) anhand von Archivmaterialien der spanischen Kriegsmarine eine Expedition nach Südamerika vor, welche die spanische Krone im 18. Jahrhundert organisiert hatte. Figueroa machte deutlich, dass es nicht um die Alternative ‚Politik oder Naturwissenschaften’ ging, sondern um staatlich instrumentalisierte ‚Politik der Naturwissenschaften’. Figueira analysierte naturwissenschaftliche Forschungen als eine Praxis der Verwaltung und machte gleichzeitig deutlich, dass der Erforschung von Territorien außerhalb des Herrschaftsgebiets der spanischen Krone Grenzen gesetzt waren.

Medizinisch-botanisches Interesse von Kolonisatoren stand im Zentrum von STEFANIE GÄNGERs (Köln) Ausführungen. Europäer beklagten sich über die Geheimniskrämerei lokaler Wissensträger und -trägerinnen beispielsweise in Peru. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hielten ihre Heilmittelkenntnisse gegenüber Außenseitern geheim und gefährdeten damit deren Gesundheit.2 Pflanzenkenntnis stellte nach Gänger ein Kernelement des kolonial konstruierten kulturellen Bildes der Indios dar. Sie galten als die primitiven „Anderen“/Wilden, die der Natur sehr nahe stünden. Das war ein im 18. Jahrhundert (als die Bedeutung der Kommerzialisierung pflanzlicher Heilmittel zunahm) beliebtes Stereotyp.

Naturforschung im Dienste der Kolonialmacht und der Aufbau von Sammlungen standen in einem funktionalen Zusammenhang, wie IRINA PODGORNY (La Plata) zeigte. Sie schlug zeitlich die Brücke vom alten Kolonialreich zu den jungen amerikanischen Revolutionsregierungen. Sie zeigte auf, dass es eine personelle Kontinuität bei den Akteuren gab, welche die sie umgebenden Territorien erforschten: Nach der Revolution 1812 verfolgten die Naturforscher (meist Geistliche, Militärs oder Beamte) ihre Interessen weiter und arbeiteten weiterhin mit den altbewährten Befragungs- und Erhebungsmustern, deren Prinzipien teils im 16. Jahrhundert im spanischen Mutterland entwickelt worden waren. Podgorny zeigte, welche Bedeutung die Verfügbarkeit des Materials – Papiere wie Sammlungsobjekte – für die Kontinuität naturkundlicher Praktiken hatte.

Für die Erforschung des Unbekannten im „eigenen“ Land interessierten sich die Beiträge des zweiten Tages. MEIKE KNITTEL (Bern) arbeitete am Beispiel des Zürcher Naturforschers Johannes Gessner, den sie im Rahmen des Berner Projekts „Kulturen der Naturforschung“ untersucht, heraus, wie ein Mann, der nicht viel gereist war, sich die Pflanzenwelt erschloss. Während er für seine botanischen Forschungen über Alpenpflanzen auf Herbarbelege zurückgreifen konnte, deren Wuchsorte er während der Reisen in jüngeren Jahren selbst gesehen hatte, musste sich Gessner das Wissen über Samen und Pflanzen aus weiter entfernten Orten mit Hilfe gedruckter Texte erschließen. In diesem Fall prägten Gessners Sichtweise von Linné publizierte und beeinflusste Lokalfloren und Reiseberichte, die zwar in konkreten politischen Territorien entstanden waren, aber letztlich universelle Gültigkeit des Pflanzenwissens unabhängig vom lokalen Kontext propagierten.

LINDA ANDERSSON BURNETT (Linnaeus) arbeitete den Einfluss Linné’scher Naturgeschichte auf ethnographische Beschreibungen von Regionen innerhalb Europas heraus. Sie zeigte, wie Linnés Bericht über seine Lappland-Reise (Flora Lapponica, 1737) und sein programmatischer Text über das Reisen „im eigenen Land“ (1741) die Erforschung von Regionen beeinflusste, die den Zeitgenossen als ‘unbekannt’ galten. In seinen Texten zeichnete Linné das Bild naturverbundener, widerstandsfähiger Menschen, welches auch Einfluss auf die Erforschung anderer ‘peripherer’ Regionen Europas hatte, wie Andersson Burnett am Beispiel der Expeditionen in die schottischen Highlands zeigte. Die Reisen sollten dazu beitragen, das jeweilige „heimische Hinterland“ und seine Bewohner nicht nur kennenzulernen, sondern auch zu beherrschen und ökonomisch nutzbar zu machen.

Um die ‚Erfindung’ eines neuen Raums, der „gesunden Alpen“, kreiste das Referat von BARBARA ORLAND (Basel). Ähnlich wie bei Linnés Bild der Lappen ging es hier um die Verklärung eines im Alpengebiet erzeugten viehwirtschaftlichen „Natur-Produkts“. In den 1750er Jahren propagierte der Ostschweizer Arzt Laurenz Zellweger (1692–1764), der in Leiden Medizin studiert hatte, eine neue Gesundheitskur, das Trinken von Molken. Ein idealisiertes Natur-Bild der heilenden, reinen Alpenluft förderte als überzeugendes Marketingargument den Molkenkur-Tourismus. Wie auch Alix Cooper bemerkte, stand der Naturdiskurs in Verbindung zum medizinischen Diskurs, und Leiden spielte eine Schlüsselrolle. Die Auf- und Umwertung des Molkenprodukts zu einem kommerziell einträglichen Heilmittel setzt die Rezeption des neuen von Boerhaave entwickelten medizinischen Konzepts der Zirkulationsphysiologie voraus.

Über das mineralische Reich, die Anfänge geologischer, vulkanologischer, mineralogischer, metallurgischer und archäologischer Forschungen in Italien sprach FRANCESCO LUZZINI (Berlin). Er thematisierte die Diskussion um die Gültigkeit von Ergebnissen über den Raum und die Zeit hinaus am Beispiel von Antonio Vallisneris „Primi Itineris per Montes Specimen Physico-Medicum“ (1705). Mit dem Vorhaben, den Bericht seiner Reise zur ‘terra incognita’ des nördlichen Apennins mit der Hilfe von Hans Sloane in England zu veröffentlichen, war Vallisneri zu seiner Zeit gescheitert und das Manuskript galt seither als verschollen. Luzzini hatte gemeinsam mit Dario Generali das Manuskript eines Entwurfs wiederentdeckt und in der Folge eine kritische digitale Edition des Werks vorbereitet, die in Kürze veröffentlicht wird.

In ihrem Beitrag präsentierte Simona Boscani Leoni einen Überblick über die Erhebung von Informationen über Territorien mittels Fragebögen. Diese Methode wurde von unterschiedlichen Akteuren, sowohl Regierungen als Forschern, im Rahmen ihrer jeweiligen Erkenntnisinteressen eingesetzt. Fragebögen waren ein bedeutsames Element bei der Institutionalisierung der Wissensgenerierung über geographische Räume, und sie spielten auch eine Rolle in Staatsbildungsprozessen. Dies zeigte Boscani am Beispiel von Fragebögen der Spanischen Krone aus dem 16. Jahrhundert über die kolonisierten Territorien in Südamerika, anhand von britischen Fragekatalogen, etwa von Francis Bacon, für Irland sowie den Fragen des Zürchers Johann Jakob Scheuchzer über den Alpenraum.

Erhebungen mittels standardisierter Fragen interessierten auch MARTIN STUBER (Bern) im Kontext der ökonomischen Aufklärung in der Schweiz: Er thematisierte die von reformierten Geistlichen städtischer Herkunft auf Veranlassung der Berner Oekonomischen Gesellschaft und mehr oder weniger entlang eines Fragenkatalogs verfassten „Topographischen Beschreibungen“ verschiedener Berner Regionen.3 Dabei untersuchte er die Darstellungen von Sumpfland und Feuchtgebieten und zeigte auf, wie sich konkurrierende Vorstellungen einer „geeigneten“ Nutzung von Sumpfland und Feuchtgebieten manifestierten: Während die Bauern das Gemeinland als Weidefläche (Pferde und Vieh) extensiv nutzten, sahen die Aufklärer in der Oekonomischen Gesellschaft Allmenden als Hindernis für Modernisierung und befürworteten zur Nutzungsoptimierung deren Privatisierung (Gärten).

Aufklärerisch geprägte Vorstellungen einer städtischen Elite auf dem Land wurden ebenfalls in Zürich gepflegt. Über die 1746 gegründete Naturforschende Gesellschaft Zürich berichtete SARAH BAUMGARTNER (Bern). Sie zeigte, in welcher Weise politische, ökonomische und wissenschaftliche Interessen städtischer Akteure die Entwicklung und Erprobung qualitativer wie quantitativer Methoden zur Informationsbeschaffung über ländliche Akteure und deren Wirtschaftsweise formten. Mit ihren Erhebungen, dem ersten Unternehmen zur integralen Erfassung von Einwohnern, Grundbesitz- und Nutzungsverhältnissen sowie Agrarerträgen der Zürcher Landschaft, nahm die Gesellschaft eine Aufgabe vorweg, die später vom Staat übernommen wurde.

MARTA CAVAZZA (Bologna) nahm den Tagungstitel wörtlich, indem sie auf die kartographischen Unternehmungen des Bologneser Mathematikers, Naturwissenschaftlers, Sammlers und Militärs F. Marsili (1658-1730) zum Donaugebiet und zur provenzalischen Mittelmeerküste einging. Gestützt auf Marsilis Biographie konnte Cavazza zeigen, dass sich dessen Erkenntnisinteressen und Methoden sowohl auf seine Rolle als Gelehrter und Kenner der einschlägigen Literatur, wie auch auf seine militärischen und diplomatischen Erfahrungen, u.a. im Osmanischen Reich, zurückführen ließen.

In der Schlusssektion am dritten Tag diskutierten die Vortragenden die koloniale Expansion in Asien, in Hinblick auf Praktiken der Fernkommunikation, der Informationsbeschaffung, des Aufbaus naturkundlicher Sammlungen und deren Nützlichkeit für die Durchsetzung kolonial-kommerzieller Interessen.

In ihrem gemeinsamen Vortrag beleuchteten RICHARD COULTON (London) und CHARLES E. JARVIS (London) naturgeschichtliche Sammelpraktiken. Am Beispiel zweier Reisen des schottischen Schiffsarztes James Cunningham im Dienst der East India Company nach Amoy (1698) und Chusan (1700-03) zeigten sie Strategien der Informationsvermittlung unter unterschiedlichen Bedingungen. Mit Hilfe von Herbarmaterial und Korrespondenz untersuchten die Referenten Cunninghams Verfahren des Konservierens und Verpackens von Objekten sowie sein auf Kontakten mit anderen Schiffsärzten basierendes Transportnetzwerk. Die von den Referenten präsentierten Unternehmungen zeigten damit exemplarisch einige der Faktoren, welche das Bild, das sich europäische Gelehrte und Sammler von der Natur ferner Länder machten, beeinflussen konnten.

PRATIK CHAKRABARTI (Manchester) stieg ein mit erkenntnistheoretischen Überlegungen zu den für die Historie grundlegenden Konzepten von Zeit und Raum und zu Konvergenzen von Natur und Geschichte. Er problematisierte das Begriffspaar ‚Natur’ und ‚Kultur’, deren Grenze mitunter verschwimmt. Denn die (koloniale) Vermessung einer Landschaft war ein doppelter Prozess, als geographische Raumerfahrung und als ein Rückwärtsgehen in die Vergangenheit – insofern als sich zukunftsgerichtete, innovative Bauprojekte zu geologisch-archäologischen Erkundungen ausweiteten: In der Rückschau verschmelzen historische und geologische Prozesse, indem sich Historisches (alte Kanäle) zu Natur (zu Flussläufen, welche in der lokalen Überlieferung als natürlich gelten) rück-verwandelt, der Mensch mithin selbst als Gestalter von Natur erscheint. Während britische Ingenieure seit dem frühen 19. Jahrhundert in den semiariden Zonen im Einzugsgebiet von Ganges und Yamuna Kanäle anlegten, stießen sie auf nahezu vergessene Zeugen von Naturgeschichte und Landesausbau. Sie konstruierten und imaginierten (romantische) Bilder einer Kunstlandschaft.

Auch CHETAN SINGH (Shimla) beschäftigte sich mit Konstruktionen von Bildern durch Asienreisende. Den Auftakt zur Erforschung der Geologie und „Völkerkunde“ markierte der am Obersten Gerichtshof in Calcutta tätige Linguist William Jones, der die Gründung der ‚Asiatick Society’ angeregt hatte. Singh erforscht anhand von Reiseberichten, Tagebüchern und den Akten der ‚Asiatick Society’ (1784-1825) die europäischen Versuche, den Himalaya zu erkunden – eine physisch nur schwer zu durchdringende Zone an der Peripherie des britischen Kolonialreichs, an den Grenzen zu Tibet und Nepal. Dieser „Naturraum“ schien sich jeder Vermessung (Bsp.: Höhenmessung) förmlich zu entziehen. Das wurde an Beispielen der Spekulationen über die Quellen von Yamuna und Ganges sowie über die Ursachen verbreiteter Krankheiten (Kropf, Malaria) erläutert. Europäer hatten sich mit der Vielfalt (und Genealogie) der Völker auseinanderzusetzen und schufen stereotype Bilder. Erstmals spielte dabei das Konzept von Rasse eine Rolle. Es hatte zunächst geographische Implikationen und überschnitt sich mit Konzepten wie Volk und Nation.

Der letzte Vortrag handelte von einem neuen „Akteur“ der Geschichtsschreibung – dem Papier, als Medium von (Fern-)Kommunikation, Wissensspeicherung, Forschung und Wissensverbreitung. ANDREAS WEBER (Enschede) nahm den ‚material turn’ in der Geschichtswissenschaft ernst und betonte die Wichtigkeit des Papiers für die Etablierung von Herrschaft und die Forschung in den Kolonien. Er sprach über die Herstellung und Qualitäten des Beschreibstoffs, den die Regierung im Mutterland in einer eigens gegründeten, nationalen Papiermanufaktur herstellen ließ, und über die Nutzung von Papier im Kontext von Caspar Georg Carl Reinwardts (1773-1854) Aufenthalt in Batavia.

In seinem Schlusskommentar hob KASPAR VON GREYERZ (Basel) die gemeinsamen Fragen und Themen der Vorträge hervor. So zeigten sich beispielsweise das Reisen und Sammeln in vielen Beiträgen als zentrale Praktiken der Erforschung von Territorien; immer wieder wirkten Pfarrer als engagierte Erforscher von Natur und Menschen. Allerdings wurde die Frage, welche Rolle die Religion für die Auswahl der Forschungsgegenstände und die angewandten Praktiken spielte, so von Greyerz weiter, noch zu wenig beachtet.4 Zudem stellte er die Frage nach dem Wandel innerhalb des untersuchten Zeitraums. Zwischen 1700 und 1830 veränderten sich sowohl die Forschungsbedingungen, als auch die Wahrnehmung der Natur und ebenso das Verständnis des Konzepts der „Nützlichkeit“, das von den Akteuren immer wieder als Begründung für die Erforschung der menschlichen und natürlichen Geschichte der verschiedenen Territorien vorgebracht wurde.




Programm:
Keynote Speech
ALIX COOPER (Stony Brook University, New York): Revisiting Local Knowledge and the Indigenous in Eighteenth-Century Natural History: A Few Thoughts.

Mapping the Americas
Chair: Christian Büschges, Bern
HANNS REILL (University of California, Los Angeles): Enlightenment, Empire and Ethnology: Prince Maximilian Wied-Neuwied’s Expeditions to the New World.
MARCELO FABIÁN FIGUEROA (Universidad Nacional de Tucumán/CONICET, Argentinien): Unstable Natural Knowledge Production: The Malaspina Expedition at the Edges of Spanish Colonial America (1789/1793).
STEFANIE GÄNGER (Universität zu Köln): Inalienable Truths: ‚Indian’ Informers in the Study of Spanish American Territory, ca. 1770-1900.
IRINA PODGORNY (Museo de la Plata/CONICET, Argentinien): Change and Continuity: The Bureaucracy of Knowledge in South America.

Mapping Europe I
Chair: Sophie Ruppel, Basel
MEIKE KNITTEL (Universität Bern): „Knowing Flora Near and Far: Accumulating Knowledge on Plants in 18th Century Zurich“.
LINDA ANDERSSON BURNETT (Linnaeus University, Schweden): Mapping the Domestic Indigenous: Linnaeus and Instructed Travel in Sápmi and the Scottish Highlands c. 1730-1800.
BARBARA ORLAND (Universität Basel): Inventing the Healthy Alps: Farmers, Physicians and the Swiss Whey Cure in the 18th Century.
FRANCESCO LUZZINI (MPIWG, Berlin): ‚In Aspero Solo’: Antonio Vallisneri’s Manuscript ‚Primi Itineris per Montes Specimen Physico-Medicum’ (1705).

Mapping Europe II
Chair: Hubert Steinke, Bern
SIMONA BOSCANI LEONI (Universität Bern): Mapping Territories through Questionnaires: Some Observations about a Genre.
MARTIN STUBER (Universität Bern): Social Anthropology avant la lettre – The Economic Enlightenment Perspective on Traditional Uses of Wetlands.
SARAH BAUMGARTNER (Universität Bern): Questionnaires, Parish Registers and Prize Competitions: The Zurich Physical Society’s Sources and Methods for Surveying the Territory.
MARTA CAVAZZA (Universitá di Bologna): The Role of the Idea of Context in Luigi Ferdinando Marsili’s Conception of Natural History.

Mapping Asia
Chair: Jon Mathieu, Luzern
RICHARD COULTON (Queen Mary University) und CHARLES E. JARVIS (Natural History Museum, London): Discovering China: James Cuninghame’s Practices of Knowledge Production in Amoy (1698) and Chusan (1700-03).
PRATIK CHAKRABARTI (University of Manchester): The Canal of Zabeta Khan: Mapping Landscapes, Mapping History.
CHETAN SINGH (Indian Institute of Advanced Studies, Shimla): Creation of ‚Scientific’ Knowledge and the Colonial Exploration of the Himalaya, 1780-1850.
ANDREAS WEBER (University of Twente, NL): Making Governance Work: Paper and Natural History in the Early Nineteenth-Century Dutch Empire.

Conference Wrap Up and Closing Remarks
KASPAR VON GREYERZ (Universität Basel)




Anmerkungen
1 Alix Cooper, Inventing the Indigenous. Local knowledge and natural history in early modern Europe, New York 2007.
2 Siehe zum Konzept der „illiterate knowers“: Katherine Park, Secrets of Women, New York 2006.
3 Gerrendina Gerber-Visser, Die Ressourcen des Landes. Der ökonomisch-patriotische Blick in den Topographischen Beschreibungen der Ökonomischen Gesellschaft Bern (1759-1855), 2012. Siehe die Volltextedition in der Website Digibern: https://www.e-periodica.ch/digbib/vollist?UID=oeg-002 (13.12.2017).
4 Ergänzend sei festgestellt, dass ebenso die Kategorie Gender ausgeblendet war – abgesehen von den Hinweisen auf einige Feststellungen zum Charakter von Frauen in den jeweils untersuchten Texten. Es wäre indes genauer nachzufragen, welche äußeren Bedingungen (Reisen) und welche Normen und Wertvorstellungen das Gendering von Wissenschaft prägten und warum in der Mehrheit Männer als Protagonisten der Forschung auftraten.

Veranstaltung: 
Mapping the Territory: Exploring People and Nature, 1700–1830
Organisiert von: 
Simona Boscani Leoni, Universität Bern SNF-Projekt "Kulturen der Naturforschung"
Veranstaltungsdatum: 
21.09.2017 bis 23.09.2017
Ort: 
Bern
Art des Berichts: 
Conference