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Panelbericht Rural History 2013: Transforming Village Culture: Village Halls and Cultural Centres in the Nineteenth and Twentieth Century. Part I

Autor / Autorin des Berichts: 
Thomas Keller



Zitierweise: Keller, Thomas: Panelbericht Rural History 2013: Transforming Village Culture: Village Halls and Cultural Centres in the Nineteenth and Twentieth Century. Part I, infoclio.ch Tagungsberichte, 2013. Online: infoclio.ch, <http://www.dx.doi.org/10.13098/infoclio.ch-tb-0078>, Stand:
Citation: Keller Thomas, « Panelbericht Rural History 2013: Transforming Village Culture: Village Halls and Cultural Centres in the Nineteenth and Twentieth Century. Part I », infoclio.ch comptes rendus, 2013. En ligne: infoclio.ch, <http://www.dx.doi.org/10.13098/infoclio.ch-tb-0078>, consulté le



Panelverantwortliche: Raluca Musat
Chair: Jeremy Burchardt

Organisiert und eingeleitet wurde das Panel von RALUCA MUSAT. Die Idee für das Thema des Panels kam ihr im Zuge ihrer aktuellen Forschungen zur Beziehung zwischen der Entwicklung der Sozialwissenschaften und den ländlichen Entwicklungsprozessen im Europa der Zwischenkriegszeit. Während des 19. und 20. Jahrhunderts entstanden in ganz Europa – und darüber hinaus – dörfliche Kulturzentren. Musat sieht die damals neuen Institutionen des Dorflebens als Teil eines globalen Prozesses der ländlichen Transformation. Ziel war, die Landbevölkerung in Modernisierungsprozesse zu integrieren und gleichzeitig lokale Kultur und Tradition zu berücksichtigen.

Zuerst referierte SORIN RADU, („Lucian Blaga“ Universität Sibiu/Hermannstadt) über „The Cultural Propaganda of the Ploughmen’s Front and the Role of the Cultural Guides in Communist Romania 1945-1953”. Die Vorgeschichte der Pflügerfront seit 1933 wurde kurz dargestellt, besonders die schon damals bestehenden engen Verbindungen zur illegalen Kommunistischen Partei Rumäniens (PCR). Nach dem Sturz des Antonescu-Regimes im August 1944 wurde die Pflügerfront als Massenorganisation gesamtstaatlich ausgebaut. Ein wichtiges Merkmal und Erfolgsfaktor sei auch der Spagat zwischen enger Kooperation mit der PCR und den sowjetischen Besatzern einerseits sowie andererseits der Vermittlung des Anscheins eines repräsentativen demokratischen Systems nach außen gewesen. Bei der Machtergreifung der PCR spielte die Pflügerfront eine wichtige Rolle, da sie 1948/49 mit etwa 1,4-1,5 Millionen Mitgliedern, stärker als die PCR war. Ab etwa 1949 bis zu ihrer Auflösung 1953 hatte die Pflügerfront flächendeckend Lokalorganisationen in ganz Rumänien. Hauptaufgabe war die kommunistische Propaganda unter der Landbevölkerung. Der Stellenwert dieser Propaganda wird deutlich, wenn man bedenkt, dass fünf Propagandabereiche entwickelt wurden: politische Propaganda, Kulturpropaganda, Information und Presse, Berufsorganisationen und Kaderschulen. Zu den Aufgaben der Kader gehörte es, ständig Berichte über die Stimmung bei der Landbevölkerung an die Parteizentrale weiterzugeben. Außerdem hatte die Pflügerfront den Auftrag, den Wahltag 1946 als eine Art Feiertag zu begehen. Es sollten Kulturveranstaltungen wie Feste, Feiern, Tanzveranstaltungen, Spiele u.ä. in den Dörfern veranstaltet werden. Die Jugendorganisation sollte regelrechte Festzüge – mit Flaggen, Plakaten und Musikern – zu den Wahllokalen organisieren. Probleme trotz aller Propagandabemühungen hatte die Pflügerfront insbesondere mit der, bei der Landbevölkerung sehr populären, Bauernpartei von Iuliu Maniu. Ganze Lokalorganisationen der Pflügerfront seien übergelaufen. Der Misserfolg von 1946 hatte eine Reorganisation der Pflügerfront zur Folge. Zwischen 1947 und 1953 kam es aufgrund des schlechten Abschneidens bei den Wahlen 1946 zu mehreren „Säuberungswellen“. Radu führte weiter aus, dass es durch Archivmaterial belegt sei, dass die Pflügerfront seit August 1944 sowohl Profiteur als auch Mitgestalter des Umbaus zum kommunistischen Staat war. Als die Kommunisten ihre Strukturen 1952/53 flächendeckend ausgebaut hatten, wurde die Pflügerfront aufgelöst.

MARGREET VAN DER BURG (Wageningnen) fragte, ob Frauen in den dörflichen Kulturzentren in Rumänien – wie in den Niederlanden – wichtige Funktionen besessen hatten. Die rumänischen Teilnehmer des Panels waren sich einig, dass Frauen praktisch keine Bedeutung in den dörflichen Kulturzentren in Rumänien hatten. Mitglieder der Pflügerfront seien nur Männer gewesen.
Cornel Micu (Danubius Universität, Galati) kritisierte den Widerspruch zwischen „erfolgreicher Propaganda“ und gleichzeitig „fast illiteraten Mitgliedern der Pflügerfront“. Sorin Radu nutzte den Einwurf um klarzustellen, dass die Kaderschulen nur etwa drei Wochen gedauert hätten, nur einen geringen Teil der Mitgliedschaft erfasst hätten und daher das Niveau eher gering war. Nur wenige besonders Begabte seien auf weiterführende Parteischulen gesendet worden.

Danach hielt CORNEL MICU (Associate Professor an der Danubius Universität, Galati) das zweite Referat: „An Institutional Approach toward the Transformation of Countryside: the Collec-tive Farms and Cultural Centers in the Communist Romania” – insbesondere in der Gemeinde Bordei Verde (Südost-Rumänien). Zur umfassenden Quellenbasis gehörten neben schriftlichen Quellen (Gesetzestexte, Parteiprogramme und Archivalien) auch 51 Zeitzeugeninterviews. Allerdings wurden viele mögliche Fragen zum „cãmin cultural”, dem dörflichen Kulturzentrum, in den Zeitzeugeninterviews nicht reflektiert, da der Fokus seiner Forschungen auf der Kollektivierung lag. Auf eine Besonderheit wies Micu bei der Kollektivierung hin: obwohl die kommunistische Kollektivierung bereits 1949 einsetzte, wurde die gesetzliche Basis hierfür erst 1953 geschaffen. Für die „cãmin cultural” waren keinerlei gesetzliche Grundlagen auffindbar.
In Bordei Verde wurde das dörfliche Kulturzentrum („cãmin cultural”) erstmals 1952 erwähnt, als vom Volksrat (local council) verfügt wurde, dass eine Bekanntmachung u.a. durch Aushang am Kulturzentrum zu erfolgen habe. „Cãmin cultural” und die kollektivierte Farm waren die neuen Institutionen in rumänischen Dörfern. Sie waren repräsentativ für den Versuch, lokale Kultur und soziale Beziehungen im Sinne der kommunistischen Linie zu verändern. Daneben gab es die Traditionellen wie Kirche, Wirtshaus und Bürgermeisterei. Betont wurde die relative institutionelle Vielfalt in rumänischen Dörfern nach 1945 (Kirche, Bürgermeisterei, Wirtshaus, Kulturzentrum, ein bis zwei Dorfläden, Polizeistation, Ärztehaus, Schule und Kindergärten). Die bedeutendste Institution war die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft mit ihren zahlreichen Wirtschafts- und Sozialgebäuden. Das Kulturzentrum war der erste Versuch, die Dorfbewohner politisch zu mobilisieren, um in der Phase der Kollektivierung ihre Unterstützung zu bekommen. Die Volksräte (local councils) waren wichtiger und größer als die Kulturzentren. Das Kulturzentrum hatte nur 1,5 Stellen zur Verfügung (0,5 Direktor, 1,0 Bibliothekar). Zwei Ziele hatten die Kulturzentren: 1. Die Stärkung der kommunistischen Ideologie. 2. Unterstützung der Jugend für den Kommunismus zu gewinnen (durch das Zeigen von Filmen und Feiern mit geselligem Charakter, die den traditionellen Sonntagstanz als „Partnerbörse“ ablösen sollten). Das Kulturzentrum hatte eine geradezu marginalisierte Stellung gegenüber kollektivierter Farm und Schule, überlebte aber die Wende von 1989 und spielt auch heute noch eine wichtige Rolle als kulturelles Zentrum für Jugendliche und Erwachsene. Durch die seit 2007 gezahlten EU-Fördergelder wurden die Kulturzentren nochmals aufgewertet.

Abschließend fasste JEREMY BURCHARDT (University of Reading), die Beiträge zusammen und ergänzte sie um die englische Perspektive. Die dörflichen Kulturzentren seien ein wichtiges Element der Formung und Entwicklung neuer Identitäten gewesen. So hätten in Großbritannien die Frauen- und Landorganisationen einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Herausbildung der nationalen Identität besessen. Auch die Überbrückung religiöser und sozialer Differenzen war eine wesentliche Motivation (z.B. Differenzen zwischen Anglikanern und Methodisten) für die Gründung von Kulturzentren auf dem Land. Diese dienten aber auch der Bildung von lokalen Identitäten und einer übergreifenden ländlichen Identität. In geringerem Umfang wurde versucht ein proletarisches Klassenbewusstsein der Landbevölkerung zu wecken. Zahlreiche dörfliche Kulturzentren seien durch Top-Down-Initiativen entstanden, aber Forderungen nach dem Angebot von sozialen und Freizeitaktivitäten im ländlichen Raum waren durchaus weit verbreitet. Oft kamen Top-Down-Initiativen und populäre Forderungen zusammen. Zu den häufigsten Forderungen der Landbevölkerung gehörten Filmsäle und Kinos, was aber nicht unumstritten war, da diese teilweise als „Verstädterungstendenz“ gesehen wurden. Die Frage, ob es sich in den einzelnen Ländern bei der Gründung von dörflichen Kulturzentren um singuläre Prozesse oder aber eine gemeinsame europäische Entwicklung handelte, kann noch nicht beantwortet werden. Augenblicklich kann man nur festhalten, dass die Gründung in zahlreichen europäischen Ländern zeitlich relativ parallel verlief. Margreet van der Burg (Wageningnen) ergänzte den Kommentar noch mit der Anmerkung, dass in den Niederlanden die Aspekte Freizeit und Modernisierung wichtige Antriebskräfte bei der Entwicklung der dörflichen Kulturzentren gewesen seien. Einig war man sich, dass eine gemeinsame europäische Forschung in diesem Bereich noch sehr wünschenswert sei.

Panelübersicht:
Sorin Radu: The Cultural Propaganda of the Ploughmen's Front and the Role of the Cultural Guides in Communist Romania (1945-1953)

Cornel Micu: An Institutional Approach toward the Transformation of Countryside: the Collective Farms and Cultural Centers in the Communist Romania

Jeremy Burchardt: Comment

Veranstaltung: 
Rural History 2013
Organisiert von: 
Swiss Rural History Society (SRHS) / Archives of Rural History (ARH)
Veranstaltungsdatum: 
20.08.2013
Art des Berichts: 
Conference