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Von Daten zu Informationen und Wissen: nodegoat Projekte der Universität Bern geben Einblicke in ihre digitale Umsetzung (noadgoat Day 2020)

Autor / Autorin des Berichts: 
Angelina Minnig
angelina.minnig@students.unibe.ch
Historisches Institut, Universität Bern

Natalie Raimann
natalie.raimann@hist.unibe.ch
Historisches Institut, Universität Bern

Yvonne Aregger
yvonne.aregger@hist.unibe.ch
Historisches Institut, Universität Bern

Zitierweise: Minnig, Angelina; Raimann, Natalie; Aregger, Yvonne: Von Daten zu Informationen und Wissen: nodegoat Projekte der Universität Bern geben Einblicke in ihre digitale Umsetzung (noadgoat Day 2020), infoclio.ch-Tagungsberichte, 15.12.2020. Online: <https://www.doi.org/10.13098/infoclio.ch-tb-0228>, Stand: 08.11.2024.

PDF-Version des Berichts

Die virtuelle Forschungsumgebung nodegoat dient Forschenden aus unterschiedlichen Fachgebieten zur Visualisierung von Daten und ermöglicht so neue Blickwinkel auf ihre Forschungsergebnisse. Die kollaborative Plattform steht verschiedenen internationalen Projekten zur Verfügung. Im Rahmen des nodegoat Day 2020 wurden laufende Forschungsarbeiten der Universität Bern, die nodegoat nutzen, zusammengeführt und vorgestellt. Ziel der virtuell durchgeführten Tagung bestand im Besonderen darin, die Möglichkeiten und Funktionen der Umgebung kennenzulernen und den interdisziplinären Austausch und zukünftige Kollaborationen zu ermöglichen.1

Der Organisator KASPAR GUBLER (Bern) begrüsste alle Teilnehmenden mit einer kurzen Einführung anhand des Forschungsprojekts Repertorium Academicum (REPAC) der Universität Bern. Er betonte den Nutzen der virtuellen Forschungsumgebung zur Vernetzung von Datenbeständen und zur Erschliessung der Forschungsergebnisse für Laien und Fachpersonen: Die Userinnen und User könnten ihre Datenbank beliebig und individuell gestalten oder aber auch bereits vorhandene Modelle verwenden, ohne über Programmierkenntnisse verfügen zu müssen. Durch die Visualisierung von Daten könnten Muster und Entwicklungen sichtbar gemacht werden, die sonst unsichtbar bleiben. Auf diese Weise würden neue Fragestellungen, wissenschaftliche Ansätze und Erkenntnisse erschlossen. Anschliessend erläuterte Gubler erste Ergebnisse aus dem Projekt Repertorium Academicum Helveticum (RAH). Das Projekt beschäftigt sich mit den Gelehrten aus dem Raum der Eidgenossenschaft und mit nicht-eidgenössischen Gelehrten der Universität Basel. Mithilfe von nodegoat kann das Einzugsgebiet der Universität Basel visualisiert werden. Daraus ist abzuleiten, dass im 15. und 16. Jahrhundert Personen aus der Westschweiz weit weniger häufig zum Studium nach Basel gingen als Personen aus der Ostschweiz.

Ein weiteres Forschungsprojekt wurde von STEFANIE MAHRER (Bern) vorgestellt. Im Rahmen ihres SNF-Prima-Projektes Forced Academic Migration (FAM) werden alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in nodegoat erfasst, die während der NS-Zeit ihre Stelle verloren haben oder aufgeben mussten. Anschliessend werden die Bedeutung und die Konsequenzen der Flucht auf die akademische Karriere und das wissenschaftliche Schaffen untersucht. Dabei steht die Schweiz insofern im Mittelpunkt, als dass untersucht wird, wie die geflüchteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Schweizer Hochschulen eingestellt oder abgelehnt wurden und welchen Einfluss sie auf die Schweiz als Forschungsplatz hatten. Ebenfalls relevant sind akademische Hilfsorganisationen und die damit verbundenen Personen in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Netzwerke der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Mit nodegoat können in der Folge die unterschiedlichen Migrationsschritte und Netzwerke der zwangsmigrierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dargestellt werden.

Im Anschluss stellte MEVLANE SEJDIJI (Bern) das SNF-Ambizione-Projekt von Franziska Zaugg stellvertretend für diese vor. Gestützt auf das Konzept der «longue durée» von Fernand Braudel, beinhaltet das Projekt die Untersuchung kriegsversehrter Gesellschaften in Südosteuropa in der Zeit von den Balkankriegen 1912/1913 bis zur Gegenwart. Im Zentrum des Projekts steht die Frage nach den Zusammenhängen zwischen den Epizentren der Gewalt und der Art der Erinnerung an die Gewalt. Nodegoat wird zur Darstellung dieser Epizentren und deren Zusammenhänge genutzt und soll zudem die Entwicklung der untersuchten Regionen (Sandzak und Kosovo) in Bezug auf die Grenzen und territorialen Verhältnisse aufzeigen.

Das SNF-Ambizione-Projekt Festivals und institutionelle Veränderungen. Perspektiven auf transnationale Arbeitsweisen im Gegenwartstheater wurde von ALEXANDRA PORTMANN (Bern), ANNA BARMETTLER (Bern) und DOMINIK KILCHMANN (Bern) vorgestellt. Ausgehend von ausgewählten Festivals in der Schweiz, Deutschland und Grossbritannien werden transnationale Netzwerke erfasst und analysiert. Dabei wird von einem Wandel ausgegangen, der besagt, dass sich Festivals von Orten der Repräsentation zu Orten der Produktion entwickeln. Nodegoat wird dabei vor allem zur Visualisierung der Netzwerke zwischen Kunstschaffenden, Produktionshäusern etc. eingesetzt.

ELIE JOLLIET (Universität) beschäftigt sich in seiner Dissertation mit Berner Gesangbüchern der Jahre 1603 bis 1852. Ziel der Forschung ist die Erfassung und Beschreibung der reformierten Berner Gesangbücher, wobei der Liedbestand nach geographischer Herkunft, sprachlichen, theologischen sowie musikalischen Entwicklungen untersucht werden soll. Jolliet nutzt nodegoat zur Erfassung der Gesangbücher und in einem späteren, noch ausstehenden Schritt, um geographische Profile der Lieder sowie deren Entstehungszeitraum zu visualisieren. Noch offen ist, wie umfassend der Untersuchungsraum sein wird: Ein Vergleich der bernischen Daten mit weiteren Gesangbuchzentren der Schweiz könnte im besten Fall landesweite Trends sichtbar machen.

CORINA LIEBI (Bern) präsentierte den Nutzen von nodegoat für ihre Masterarbeit. Diese analysiert die Kammeramtsrechnung des Hochstifts Bamberg, die von 1487 bis 1513/14 seriell überliefert ist. Da die Datenmenge dementsprechend gross ist, eignet sich nodegoat als Tool zur Auswertung sehr gut. Die Arbeit teilt sich in zwei Schwerpunkte auf. Liebi erarbeitet zuerst, um welche Art von Rechnung es sich bei der Kammeramtsrechnung genau handelt. In einem zweiten Teil will sie sich damit beschäftigen, welche Erkenntnisse sich durch eine Visualisierung der Daten ergeben. Bereits im Arbeitsprozess kann visualisiert werden, welche Ämter schon erfasst sind. Es wird ersichtlich, welche Möglichkeiten der Bearbeitung vorhanden sind.

SEBASTIAN BORKOWSKI (Bern) präsentierte das Projekt Rivers of Mesopotamia (RIMES) des Instituts der Vorderasiatischen Archäologie, das unter der Leitung von Susanne Rutishauser steht. Ziel des Projektes ist die Erfassung der Lage von Flüssen und Kanälen der mesopotamischen Schwemmlandebene während verschiedener Epochen. Die Quellen hierfür erstrecken sich von Fernerkundungsdaten, über Landschaftsrelikte und siedlungsgeographische Ressourcen bis hin zu über 10’000 altsumerischen Textquellen, in denen Hinweise zu Flüssen gesucht und ausgewertet werden. Das Team geht von der Annahme aus, dass menschliche Siedlungen nur in der Nähe von Flüssen und Kanälen möglich waren. Mithilfe von nodegoat soll eine schematische Lokalisierung der Flüsse und Kanäle erreicht sowie die zahlreichen Erkenntnisse zur sumerischen Sprache einem internationalen Fachpublikum zugänglich gemacht werden.

Das Spark-Projekt von Kaspar Gubler beschäftigt sich mit Prozessen, die die Harmonisierung und Vernetzung von Datenbanken und Daten effizient ermöglichen. Das Ziel wäre dabei, eine öffentliche Suchfunktion über mehrere Biografie-Datenbanken hinweg zu entwickeln, die dank detaillierter und nicht nur elementar harmonisierter biografischer Datenbestände neue Muster in den Biografien sichtbar und neue Fragestellungen möglich macht. Die Lösung bietet ein von Gubler entwickeltes Modul, das DDI-Modul (Dynamic Data Ingestion Modul). Das Projekt ist aktuell noch nicht abgeschlossen, es wird aber ein Tool hervorbringen, das es Forschenden und Studierenden ermöglicht, Forschungsdaten über mehrere Datensammlungen hinweg zu harmonisieren und zu visualisieren.

PIM VAN BREE und GEERT KESSELS (The Hague), die Entwickler von nodegoat, haben zum Schluss des nodegoat Day einen Überblick über die Entstehung und die vielfältige Nutzung der Software präsentiert. Anhand ausgewählter Projekte haben sie erklärt, wozu nodegoat fähig ist und wie es eingesetzt werden kann. Die Projekte, die die Features von nodegoat nutzen, sind sowohl zeitlich als auch geographisch breit gefächert. Genauso wie die verschiedenen Vorträge des nodegoat Day 2020 zeigen sie das enorme Potential auf, das diese virtuelle Forschungsumgebung für unterschiedliche Disziplinen der Forschung zu bieten hat.

Da die Philosophisch-Historische Fakultät durch die Initiative Nodegoat Go all ihren Studierenden auf Wunsch eine eigene nodegoat-Umgebung zur Verfügung stellt, kann mit einer Zunahme von Projekten, die die Software nutzen, gerechnet werden. Dadurch kann sich die Universität Bern als zukünftige Spezialistin in der Datenanalyse und -visualisierung hervortun und eine ganze Reihe Pionierarbeiten unterstützen. Abschliessend kann festgehalten werden, dass gerade in Krisenzeiten die Verwendung einer webbasierten Datenbanksoftware wie nodegoat von Vorteil ist. Es kann von überall her darauf zugegriffen werden und auch die Eingabe von weiteren Daten ist orts- und zeitunabhängig möglich. Mit nodegoat kann somit auch während eines Lockdowns weitergearbeitet werden. Der nodegoat Day 2021 kann dann aber hoffentlich wieder live stattfinden.





Anmerkungen

1 Yvonne Aregger, Angelina Minnig und Natalie Raimann studieren Geschichte am Historischen Institut der Universität Bern und arbeiten für das Projekt Repertorium Academicum Helveticum (RAH).


Programm
Einführung durch Kaspar Gubler (Universität Bern, Historisches Institut): nodegoat als kollaborative Plattform für internationale Projekte. Das Beispiel REPAC.

Stefanie Mahrer (Universität Bern, Historisches Institut): Transnationale Wissenschaft. Die Schweiz und akademische Zwangsmigranten 1933 bis 1950.

Franziska Zaugg / Mevlane Sejdiji (Universität Bern, Historisches Institut): Eine «longue durée» der Gewalt? Kriegsversehrte Gesellschaften in Südosteuropa.

Alexandra Portmann / Anna Barmettler / Dominik Kilchmann (Universität Bern, Institut für Theaterwissenschaften): Festivals und institutionelle Veränderungen. Perspektiven auf transnationale Arbeitsweisen im Gegenwartstheater.

Diskussion / Fragen / Ideenaustausch

Elie Jolliet (Universität Bern, Institut für Musikwissenschaft): Berner Gesangbücher,1603 bis 1853. Eine digitale Analyse.

Corina Liebi (Universität Bern, Historisches Institut): Die Bamberger Kammeramtsrechnung von 1487. Digitale Zugänge und Auswertungsmöglichkeiten spätmittelalterlicher Rechnungsbücher.

Sebastian Borkowski (Universität Bern, Institut für Archäologische Wissenschaften): RIMES (Die Flüsse des Zweistromlandes).

Diskussion / Fragen / Ideenaustausch

Kaspar Gubler (Universität Bern, Historisches Institut): SNF Spark Projekt ‘Dynamic Data Ingestion’ for server-side data harmonisation: erste Ergebnisse und Ausblick.

Pim van Bree / Geert Kessels (The Hague, LAB1100): nodegoat on the globe. Overview of nodegoat projects running at other institutes and insights into new and planned features of nodegoat.

Fazit und Ausblick auf den nodegoat Day 2021

Event: 
Von Daten zu Informationen und Wissen: nodegoat Projekte der Uni-versität Bern geben Einblicke in ihre digitale Umsetzung (noadgoat Day 2020)
Organised by: 
Organisiert von Kaspar Gubler mit Unterstützung von Larissa Achermann, Universität Bern
Event Date: 
27.11.2020
Place: 
Zoom mit Live-Stream auf YouTube
Language: 
d
Report type: 
Conference
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