Dieser Blogbeitrag entstand aus einer Zusammenarbeit zwischen infoclio.ch und Dodis.
1991 – die 30-jährige Schutzfrist der Bundesakten aus diesem Jahr ist am 1. Januar 2022 verstrichen. Keinen Tag länger dauert es, bis die Forschungsstelle Dodis eine Auswahl von Dokumenten präsentiert, die die Geschichte der Aussenbeziehungen und der dichten internationalen Verflechtungen der Schweiz in einem breiten Spektrum illustriert: 62 Quellen in der Aktenedition Diplomatische Dokumente der Schweiz (DDS), 1700 in der Online-Datenbank. Durch die vorgängige Auswahl und Aufbereitung dieser Dokumente sowie ihre Publikation zum frühestmöglichen Zeitpunkt will das Editionsprojekt «der zeithistorischen Forschung entscheidende Impulse» verleihen und «als Katalysator und Orientierungshilfe für weitere Recherchen dienen.»1
Dodis erleichtert und fördert die Arbeit mit den nun offenen Archivquellen durch mehrere, zusammenspielende Angebote, angefangen bei der Einleitung des aktuellen DDS-Bands, der sowohl in analoger wie auch digitaler Form verfügbar ist – open access und downloadbar in verschiedenen Formaten, wie alle Dodis-Publikationen. Thomas Bürgisser und Sacha Zala geben darin einen Überblick über die zentralen internationalen Ereignisse und die prägenden aussen- und innenpolitischen Debatten des Jahres 1991, einem Jahr der Ernüchterung, das auf die Hoffnungen des Wendejahrs folgte (S. XXX). Sie führen etwa an die Positionierung der Schweiz zum Golfkrieg, zum Zerfall der Sowjetunion und dem Transformationsprozess in Osteuropa oder den Jugoslawienkriegen heran. Von grosser Bedeutung für die Schweiz waren zudem die Verhandlungen über den EWR-Vertrag, über den im Bundesrat wenig Einigkeit herrschte und der zu Debatten über das grundsätzliche Verhältnis zu Europa führte. 1991 war aber auch das Jahr, in dem 700 Jahre Eidgenossenschaft gefeiert und hinterfragt wurden und in dem die erste Jugendsession, der Frauenstreik und andere innenpolitische Ereignisse stattfanden, von denen die Aussenpolitik nicht unberührt blieb.
Einen Einstieg in die vertiefte Recherche bietet die Einleitung allerdings nicht nur aufgrund des kompakten Überblicks über das Jahr 1991, sondern auch, weil die darin zitierten Quellen nur einen Mausklick von ihrer digitalisierten Version entfernt sind. Hyperlinks stellen eine direkte Verbindung zwischen Aktenedition und Datenbank her. Das gilt auch für die 62 anschliessend im Dokumententeil des DDS-Bands transkribierten und annotierten Dokumente: Über einen Permalink sind sie mit den online verfügbaren Faksimiles und den Metadaten verknüpft und durch Querverweise im Anmerkungsapparat mit weiteren Dokumenten oder Quellendossiers verbunden. Der Appendix führt zudem zu dynamischen, viersprachigen Online-Verzeichnissen und Registern, in denen die publizierten Berichte, Lageanalysen, Sitzungsprotokolle und Beschlüsse des Bundesrats, Korrespondenzen und andere Quellen nach Personen und Körperschaften, Themen und geografischen Bezeichnungen aufgelistet sind. Die Aktenedition ist so für Forschende, Journalistinnen, Politiker und die interessierte Öffentlichkeit ein eigentlicher «Kompass zur Orientierung in einer Fülle von Informationen in der Datenbank» (S. XIV).
Diese fortlaufend erweiterte Datenbank wiederum ist Instrument zur vertieften Recherche in die Schweizer Aussenpolitik: Sie beinhaltet mittlerweile rund 33'000 Dokumente zur gesamten Periode des Bundesstaates ab 1848, alle quellenkritisch präzise erschlossen und mit Metadaten versehen. Diese Metadaten bilden ihrerseits Knotenpunkte, die die Dokumente in drei Richtungen verknüpfen: datenbank-intern, d.h. mit anderen Dokumenten, die dieselben Metadaten aufweisen; im Falle von biografischen Daten auch mit anderen Datenbanken, Katalogen und Lexika im In- und Ausland; und schliesslich mit sämtlichen Dodis-Publikationen – neben den bald 30 Bänden der Aktenedition also auch den Beiträgen der Reihe Quaderni di Dodis und der Zeitschrift Saggi di Dodis –, in denen diese Dokumente abgedruckt oder zitiert werden. Die radikale Digitalität setzt sich fort in den innovativen Such- und Sortierfunktionen der Datenbank, in den Anzeigeoptionen und schliesslich auch in der Verfügbarkeit der Dokumente, deren gemäss TEI-Standard transkribierte Inhalte im XML- und HTML-Format heruntergeladen und weiterverwendet werden können.
Was in Worten kompliziert klingt, lässt sich in einem Screencast anschaulich erklären. Sacha Zala stellt in einem kurzen Video das Editionsprojekt vor:
In der Arbeit mit den – nun auch aus dem Jahr 1991 – zugänglichen Dokumenten bilden die Aktenedition und die Datenbank von Dodis schliesslich eine Einheit, indem sie den Einstieg in die Geschichte der Schweizer Aussenpolitik erleichtern und eine vertiefte Recherche in den Archivquellen ermöglichen – und weil sie über digitale Verknüpfungen immer wieder Bezug aufeinander nehmen.
Wie sich die beiden Präsentationsformen einzelner Quellen in Aktenedition und Datenbank ergänzen und zusammenspielen, zeigen drei Dokumente, die das Dodis-Team für diesen Blogbeitrag ausgewählt hat. Hier dargestellt sind jeweils die inhaltliche Zusammenfassung aus dem Dokumentenverzeichnis des aktuellen Bands der Aktenedition sowie die Einbettung in die digitale Umgebung der Datenbank.
22.04.1991 | Discussion du Conseil fédéral sur les négociations sur l’EEE Les Conseillers fédéraux Felber et Delamuraz défendent les dernières concessions obtenues lors des négociations. Cependant, le reste du Conseil est sceptique quant aux chances de succès d’un tel accord lors d’une potentielle votation populaire. |
dodis.ch/57331 |
25.09.1991 | Sitzung der ersten eidgenössischen Jugendsession zur Petition «Die Schweiz in der Welt» Die von Jugendlichen ausgearbeitete, diskutierte und verabschiedete Petition zur schweizerischen Aussenpolitik fordert eine solidarische Schweiz, die sich für eine gerechte und friedliche Welt einsetzt. |
dodis.ch/58000 |
29.12.1991 | Die schweizerische Botschaft in Teheran an das EDA betreffend die Konsequenzen der Verhandlung Sarhadis. Nach der Verhandlung eines iranischen Staatsbürgers in der Schweiz wird das schweizerische diplomatische Personal in Teheran systematisch schikaniert. Das nun erfolgte Ausreiseverbot stellt eine klare Verletzung der Wiener Konventionen dar. |
dodis.ch/59676 |
1 Diplomatische Dokumente der Schweiz, Band 1991, Zürich 2022, online: https://dodis.ch/DDS-1991, S. XIII.