Verantwortung: Victor Stoichita / Maria Portmann
Referentinnen: Dominic-Alain Boariu / Michael Gnehm / Paul Kaplan / Alessandra Mascia / Maria Portmann
Im grossen Raum des Auditoriums C nehmen an diesem Morgen etwa vierzig Personen Platz. VICTOR STOICHITA begrüsst die Anwesenden und verweist auf die Aktualität des Themas des “Anderen“, welches nicht nur in der Kunstgeschichte Interesse findet, sondern auch in der Philosophie, Sozialanthropologie u.A. Dem ersten Referenten, Paul Kaplan, ist es dann zu verdanken, dass der Raum gleich zu Beginn weg verdunkelt wird und damit die projizierten Bilder besser ersichtlich werden.
A Black Jewish Astrologer in a German Renaissance Manuscript - Von Paul Kaplan
Laut PAUL KAPLAN ist das Bild von Zebel (Sahl ibn Bishr) möglicherweise das erste eines schwarzen Gelehrten der am Schreiben ist, welches in der westlichen Kunst auftauchte. Im Auftrag des Kurfürsten Joachim I von Brandenburg fertigte der Künstler Hans Hauser dieses Miniaturbild im Jahr 1520 als Teil eines Manuskriptes über Astrologie. Joachim I war der Bruder des Cardinals Albrecht von Brandenburg, der als Erzbischof von Magdeburg die Heiligenverehrung einer afrikanischen Version von St. Maurice unterstützte. Es besteht eine auffällige Gemeinsamkeit in den Gesichtern von Hausers' Zebel und Grünewalds' Maurice. Speziell an der Darstellung von Zebel ist, dass dieser schreibend abgebildet ist. Normalerweise wurde bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein keine schwarze Person, auch nicht Heilige, mit dem Akt des Schreibens dargestellt. Die Verbindung zwischen den Brandenburg-Brüdern erklärt die zu dieser Zeit aussergwöhnliche Darstellung eines schwarzen Juden im Manuskript von 1520.
The image of Jewish people in paintings of the early modern period in Italy - Von Maria Portmann
MARIA PORTMANN untersuchte in der Kirche Santa Maria Novella in Florenz die christliche Ikonographie auf Fresken und anderen Bildern hinsichtlich ihrer Darstellung jüdischer Merkmale. Dargestellte Textilien, Kleider, Möbel und Schmuckstücke verweisen auf einen regen Austausch zwischen Juden und Christen. Viele Abbildungen zeigen jüdische Personen, theologisch wird insbesondere der Bezug vom Juden Jesus zum Christentum betont.
Périphéries tsiganes : La prédication de Saint Jean-Baptiste par Pieter Bruegel le Vieux (1566) - Von Dominic-Alain Boariu
DOMINIC-ALAIN BOARIU stellt anhand des Bildes “Die Predigt Johannes des Täufers“ von Pieter Bruegel dem älteren aus dem Jahre 1565, das Verbindende und das Unterscheidende zwischen den Menschen dar. Im Bild zwischen Natur und Kultur sind Menschen unterschiedlichster Herkunft auszumachen, die “Anderen“ sind Bettler, Pilger, Muslime, Asiaten und vor allem Zigeuner oder Heiden, die scheinbar die heilige Predigt nicht ganz ernst nehmen, mit den Regeln brechen und sich als andere darstellen.
Appropriation and Alienation: Muslims in the Arts of the Reformation - Von Michael Gnehm
MICHAEL GNEHM zeigt anhand verschiedener Beispiele aus der Kunstgeschichte, wie der “Judith und Holofernes“ Darstellung, wie sich die katholische beziehungsweise protestantische Seite in Bezug zu den Muslimen stellte und welche Absichten sie damit verfolgte. Das Bild der Muslime diente dabei vorwiegend zur Festigung des eigenen Standpunktes, in Abgrenzung zur Gegenseite, was je nach Situation zur bildlichen Aneignung oder Aussonderung der Muslime führte.
L’imposture diplomatique de Robert Sherley : aventurier anglais et ambassadeur persan - Von Alessandra Mascia
ALESSANDRA MASCIA zeigte mit dem Bild von Anton van Dyck aus dem Jahr 1622, wie sich der englische Botschafter in Rom, Robert Sherley (und seine Frau Teresia), persisch gekleidet geben. In Rom finden sich auch noch weitere Abbildungen des Botschafters in persischer Kleidung. Die Bilder sind Zeugnisse, dass trotz des Falles von Konstantinopel 1453 nebst ökonomischem und politischem auch kultureller Austausch zwischen Christen und Muslimen stattfand.
Fazit
Bei der Abschlussdiskussion erwähnte Professor Stoichita, dass der Titel des Panels wahrscheinlich zu einfach formuliert ist. Wie bei den Referaten deutlicher wurde, handelt es sich bei Bildern des “Anderen“ stets auch um das “Eigene“. Deswegen kann bei einer differenzierteren Betrachtung nicht von Gegensätzen, sondern muss von sich gegenseitig bestimmenden Polen gesprochen werden. Ohne anderes nichts eigenes und ohne eigenes nichts anderes, oder wie es der Philosoph Husserl in seiner Phänomenologie formulierte: „[...] Nicht-Ich in der Form „anderes Ich“.[1]
Die Referate bezogen sich in der Behandlung von “Andersheit“ auf Schwarze, Juden, Zigeuner, Muslime und Verkleidete. Denkbar wäre auch eine Auseinandersetzung mit den Themenfeldern Leben-Tod, Jungend-Alter, Krankheit-Gesundheit, Wahnsinn-Normalität, Männlichkeit-Weiblichkeit, Kultur-Natur, Mensch-Tier u.A.
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[1] Zahavi, Phänomenologie, S. 121.
Paul Kaplan: A Black Jewish Astrologer in a German Renaissance Manuscript
Maria Portmann: The image of Jewish people in paintings of the early modern period in Italy
Dominic-Alain Boariu: Périphéries tsiganes : La prédication de Saint Jean-Baptiste par Pieter Bruegel le Vieux (1566)
Michael Gnehm: Appropriation and Alienation: Muslims in the Arts of the Reformation
Alessandra Mascia: L’imposture diplomatique de Robert Sherley : aventurier anglais et ambassadeur persan