Verantwortung: Jakob Weber / Claudia Moddelmog
Referierende: Jakob Weber / Raphael Longoni / Oliver Wetter
Kommentar: Claudia Moddelmog
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Wasser, die Grundlage allen Lebens und Gedeihens, bahnt sich als basales Element seine Wege durch die Natur – und ebenso als Thema durch die Beiträge des Panels, die vormoderne Städte in den Blick nahmen. Sie beleuchteten, dass die Existenz und der Bau von Städten ebenso durch die Verfügbarkeit von Wasser bedingt sind, wie es die Natur ist. Hierbei standen jüngere, interdisziplinäre Ansätze im Vordergrund, die den Fokus weg vom Menschen und hin zu seiner Umgebung lenken, um sich der Verbindungen zwischen nicht-menschlichen und menschlichen Einflüssen bewusst zu werden.
JAKOB WEBER (Basel) plädierte in seinem Referat für die Umkehrung der Perspektive, für den Grundsatz, dem Wasser und nicht den städtischen Akteurinnen und Akteuren zu folgen und sich Natur wie auch Wasser als Blackboxes zu nähern. Basierend auf Gerichtsquellen, aus denen Konflikte um die Wassernutzung ersichtlich sind, skizzierte Weber verschiedene Räume und Konfliktpunkte in der Wasserlandschaft um Basel im Spätmittelalter: von der Bewässerung von Matten hin zu Wasserrädern, vom Streit um Fischenzen bis zum Fluss als Zerstörer von Grenzen. Durch die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Fluss zeige sich in den Quellen die situative Gerichtspraxis als Reaktion auf die soziale und ökologische Dynamik in den beschriebenen Räumen. Nach Weber bestand bereits im Spätmittelalter ein historisches Bewusstsein für ökologische Prozesse, wenn auch nicht von einer «Nachhaltigkeit» im heutigen Sinn gesprochen werden könne. Mit dem Verfolgen des Flusses durch Raum und Zeit konnte Weber zudem einen sozialen Wandel innerhalb seiner Untersuchungszeitspanne feststellen: Es habe sich eine wachsende Dominanz einzelner Akteure und Institutionen wie Klöster oder Zünfte auf Kosten von Einzelpersonen und ganzer Berufsgruppen, beispielsweise Wässermattenbetreiber, gezeigt.
Im zweiten Referat brachte RAPHAEL LONGONI (Darmstadt) den Flussbau als technisches Element dem Publikum näher. Zunächst stellte er seine Quellen vor und zeigte auf, dass Chroniken zwar häufig von Hochwasser berichteten, Stadtrechnungsbücher insbesondere des 15. Jahrhunderts aber unter bestimmten Voraussetzungen hilfreicher für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Fluss und den Bauten, die seine Nutzung und Regulierung erforderten, sein können. Zu letzteren gehören etwa Kanalisationen und Überbauungen von Bächen, Leitungen und Schleusen oder die Verbauung von Flussufern, wie Longoni an einigen Beispielen ausführte. Wasser- und Flussbauten mussten unterhalten werden, was durch Korporationen oder im Rahmen von Zinslehen geschah, denn Flussbauten waren und sind sowohl physischen als auch biochemischen Zersetzungsprozessen ausgesetzt. Die jeweiligen Bauweisen unterschieden sich nach Longoni regional, bedingt durch das vorhandene Material und das verfügbare Wissen. Flussbauliche Interventionen dienten vor allem in den Städten dem Schutz vor Wasser und seiner Lenkung, wobei grössere Projekte meist in der Verantwortung der jeweiligen Landesherren standen. Der sozioökonomische Nutzen sei bedeutend gewesen, die Entwicklung der Flussbauten Teil eines Prozesses der Einflussnahme des Menschen auf Auen. Zum Schluss bemerkte der Referent mit Blick auf die Berechnung von Hochwasserrisiken, dass für einen Vergleich von historischen Wasserbeständen unter anderem ebenjene Flussbauten rekonstruiert werden müssten – womit er eine Brücke zum nächsten Beitrag schlug.
Entgegen jeglichen namensbedingten Mutmassungen sprach OLIVER WETTER (Bern) weniger über die Sonnenstunden zu Zeiten des Humanismus, sondern mehr über die aus Wetter und Klima resultierenden Gefahren. Im Fokus stand zum einen das Basler Rheinhochwasser von 1480 und zum andern die Dürreperiode des Jahres 1540. Mithilfe von Chroniken und buchhalterischen, institutionellen Aufzeichnungen beabsichtigt Wetter, historische Messdaten zu generieren und für die heutige Forschung und Risikoanalyse nutzbar zu machen. Dies bedinge ein entsprechendes Vorwissen über den historischen Flussbau, frühere Messungen und deren Einheiten, um in Risikoanalysen mit einkalkulieren zu können, inwiefern bestimmte Massnahmen die bestehende hydrologische Situation verändern. Als Beispiel für die Rekonstruktion der sogenannten Langzeitsaisonalität von «gewöhnlichen» Hochwassern präsentierte Wetter den Bericht eines Chronisten, in dem das Rheinhochwasser in Basel 1480 beschrieben wurde. Ausführungen wie diese würden abgeglichen mit anderen Quellen wie den Wochenausgabenbüchern der Stadt Basel dieser Zeit, um Trends in der Hochwasserentwicklung aufzeigen zu können. Mit der Dürre von 1540 sowie ihren Auswirkungen leitete Wetter schliesslich thematisch über zum Zusammenhang mit dem Klimawandel. Uns auch gegenwärtig bekannte Phänomene wie das frühzeitige Abfallen des Laubes von den Bäumen oder das Verdorren der Ernte auf dem Feld hätten 1540 einschneidende Probleme dargestellt. Wetter bilanzierte, dass die heutige Wirtschaft grundsätzlich anfälliger sei für Naturkatastrophen, was die Forschungsarbeit – auch die historische – für die Risikoanalysen umso wichtiger mache.
Dem Panel mitsamt dem kurzen Kommentar CLAUDIA MODDELMOGs (Basel) gelang es, Verbindungen zwischen den Vorträgen herzustellen, die thematisch miteinander verwoben waren. Alle Referate stellten die Nennung von Wasser in verschiedenen historischen Quellen und seiner für die Gesellschaft wichtige Regulierung in den Vordergrund. Während Weber mittels Umkehrung der Perspektive den Fluss ins Zentrum rückte und seine vielfältige Nutzung im Spätmittelalter aufzeigte, konzentrierte sich Longoni auf eine dieser Nutzungsweisen, nämlich den historischen Flussbau. Diesen bezeichnete der Referent zurecht als thematisches Bindeglied zwischen den Referaten, da er die vorangehend fokussierte Nutzung und die nachfolgend behandelten möglichen Risiken des Flusses miteinander verband. Ohne das Wissen über den Flussbau in der Vormoderne lassen sich keine Schlüsse bezüglich historischer Hochwasser ziehen, sodass diese nicht für den Vergleich mit zeitgenössischen Hochwassern und deren Risiken herangezogen werden können. So zeigte das Panel auch die Bedeutung der Geschichtswissenschaft für die interdisziplinäre Risikoanalyse von Naturgefahren auf, indem der Blick weg vom Menschen als Individuum und hin zur Natur gelenkt wird.
Panelübersicht:
Jakob Weber: Der Gebrauch des Wassers – sozio-naturale Konstellationen mit Wasser vor der Stadt Basel im Spätmittelalter
Raphael Longoni: Soziale Organisation, technische Möglichkeiten und hydrologische Risiken des städtischen Flussbaus bis 1700
Oliver Wetter: Rekonstruktion hydro-klimatischer Extremereignisse. Lernen aus der Vergangenheit
Dieser Panelbericht ist Teil der infoclio.ch-Dokumentation zu den 6. Schweizerischen Geschichts
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