Der Zugang zu öffentlichen Ämtern hängt mit Reichtum zusammen, doch je nach Epoche und Raum wurde dieser Zusammenhang zwischen Reichtum und Macht unterschiedlich bewertet. SIMONA SLANICKA (Bern) machte in ihrer Einleitung deutlich, dass es zu gewissen Zeiten verpönt war, sich an einem öffentlichen Amt zu bereichern, zu anderen Zeiten hingegen überlebensnotwendig. Nach Max Webers Herrschaftssoziologie ist Reichtum eine Voraussetzung, um ein Amt und damit Macht auszuüben. Ob umgekehrt ein Amt zu Reichtum führt, wird von ihm jedoch nicht behandelt. Ziel des Panels war es, die Umkehrung der Kausalität zu überprüfen und sich kritisch mit der angeblich klaren Trennung von Staat, Wirtschaft und Sozialem auseinanderzusetzen.
So begann denn auch UELI MÄDER (Basel) mit der Frage, ob Reichtum Voraussetzung oder Folge politischer Ämter sei und kam zum Schluss, dass die Aspekte jeweils gemeinsam betrachtet werden sollten. Für seine Untersuchung nutzte er Einzelbeispiele, die empirisch jedoch kein grösseres Forschungsfeld abdecken können. Als ersten Aspekt behandelte Mäder „Geld durch Ämter“ und zitierte dazu Pierre Bourdieus Aussage, dass symbolisches Kapital helfen könne, materielles Kapital zu generieren und umgekehrt. Als Beispiele für Personen, die durch Ämter reich wurden, nannte er Doris Leuthard, die als Politikerin Zugang zu Verwaltungsratsmandaten erhielt, und Stiftungsratspräsidierende, die hohe Beträge für ihre Amtsausübung bekommen. Anschliessend sprach Mäder über „Ämter durch Geld“ und verwies auf neue Studien von Michael Hartmann, denen zufolge in den hohen politischen Ämtern meist die Reichen vertreten sind. Nur wenige Personen aus schwierigen ökonomischen Verhältnissen schafften es in hohe Ämter, so zum Beispiel Alfred Rasser oder Paul Wagner. Durch die zunehmende Ökonomisierung fliesse Kapital hauptsächlich in die lukrativsten Gebiete, selbst wenn dabei mehr Ressourcen verwendet als generiert werden. Dennoch gäbe es auch Faktoren, die die Verbindung von Politik und Wirtschaft destabilisieren, wenn beispielsweise immer mehr CEOs aus dem Ausland stammen und damit kein Stimm- und Wahlrecht besitzen. Besonders die soziale Ungleichheit werde in einem solchen System nicht mehr als Problem, sondern als Vorteil gesehen, da daraus neues Kapital gewonnen werden könne. Mäder fasste zusammen, dass es mittlerweile akzeptiert sei, sich über politische Ämter zu bereichern und dass besonders in der Wirtschaft der Eigennutz der Menschen häufig vor dem Gemeinnutz stehe.
DORIT RAINES (Venedig) forscht über den Umgang der Stadtrepublik Venedig mit Ämtern und Verdiensten zur Zeit des Ancien Régime. In der Anfangszeit war dort die Gesundheit des Staates von grosser Bedeutung, Amtsträger wurden für kurze Perioden gewählt und mussten vermögend sein, um Venedig aus eigener Tasche unterstützen zu können. Um dennoch genug zu verdienen, hätten viele auf Korruption, Geldverleih, Erpressungen oder ähnliches zurückgegriffen. Die Gerichte Venedigs seien, so führte Raines aus, voller Quellen über solche Missbräuche, von denen jedoch nur die wenigsten wirklich bestraft wurden, weil die meisten Angeklagten Venedig bereits vor dem Prozess verlassen hatten. Raines schloss daraus, dass Reichtum den Weg zum Zentrum der Macht ermöglichte und von dort Korruption der Weg zu noch mehr Reichtum war. Und selbst wenn Missbrauch ein Verbrechen darstellte, sei er doch die meiste Zeit zugunsten des Staates geduldet worden.
Im dritten Vortrag behandelte STEFAN BRAKENSIEK (Duisburg-Essen) die Mitunternehmerschaft im Alten Reich. Im 15. und 16. Jahrhundert bildete sich eine neue Schicht aus Personen bürgerlicher Herkunft, die über ihre juristische Bildung in höhere Ämter aufsteigen konnte, vom Geburtsadel aber nie als gleichwertig betrachtet wurde. Besonders in den lokalen Ämtern hätten sie sich durchgesetzt, weshalb der Adel mit seiner Ausbildung nachziehen musste. Die Besoldung für die Arbeit dieser Bürgerlichen reichte jedoch nicht zum Überleben und deshalb hätten sie ihre Position für unfaire Vorteile genutzt, etwa bei der Kreditvergabe oder bei willkürlichen Bussen. Solche Anschuldigungen lassen sich in Quellen bis zum Ende des Ancien Régime finden, sie seien zunehmend skandalisiert worden und dennoch erfolgten daraus insgesamt nur wenige Verurteilungen. Die hohen Ämter des Reiches wurden hingegen aus den grossen Familienverbänden gestellt, die ihr Wissen über Herrschaft über Generationen hinweg tradierten und untereinander stark vernetzt waren. Nur sie besassen genügend Vermögen, um die zukünftigen hohen Amtsträger auszubilden und die Kautionen zu bezahlen. Die wenigen Aufsteiger aus unteren Schichten benötigten Patrone, um überhaupt eine Chance zu bekommen. Diese Patrone oder die eigenen Familien trugen das volle Risiko, wenn ein Amtsträger zu früh verstarb, und sie profitierten umso mehr von seinen Machtressourcen, wenn er erfolgreich war.
JON MATHIEU (Luzern) formulierte in der Diskussion zwei generelle Thesen, die sich im Panel wiederholten: Erstens sei Reichtum nicht nur eine Voraussetzung, sondern auch eine Folge der Ausübung eines Amtes und persönliche Bereicherung werde bis zu einem bestimmten Mass toleriert; und zweitens sei persönliche Bereicherung heute legaler und es gäbe nur noch wenig Korruption. Der ersten These stimmte Mathieu zwar zu, meinte aber, Max Webers These reiche zur Erklärung hierfür nicht aus; die Beurteilung der zweiten These fand er jedoch schwieriger. Zuerst brauche es eine Untersuchung des Begriffs „Korruption“, denn die Amtsträger der Vergangenheit hätten die Gesetze zu ihrem Vorteil auslegen können, erst mit der Verschriftlichung der Verfassungen und Gesetze, besonders nach der Zeit der Französischen Revolution, sei diese Freiheit eingeschränkt worden.
In der Diskussion wurde gefragt, woran zu messen sei, dass ein Amtsträger zu wenig verdiene und wie man eine weitere Bereicherung erkenne. Brakensiek antwortete, dass die Besoldungssätze über 200 Jahre lang beibehalten wurden, ohne sich der Wirtschaft anzupassen. Zudem hatte er den durchschnittlichen Verbrauch bürgerlicher Familien untersucht, der nicht mit dem Sold übereinstimmte, und schliesslich erkannte er in den Testamenten der Amtsträger Geldakkumulationen, die sich nicht aus der Besoldung erklären liessen. Die zweite Frage behandelte die Sichtbarkeit der Frauen in öffentlichen Ämtern. Brakensiek zufolge lebten die meisten Amtsträger in einer Ehe mit klarer Arbeitsteilung, in der Frauen die Verantwortung für den Haushalt trugen und damit entscheidend zum Erfolg ihrer Männer beitrugen.
Panelübersicht
Mäder, Ueli: Reich durch Ämter – und umgekehrt
Raines, Dorit: Wealth accumulation, office holding and service to the State – the Venetian governing elite and Republican virtue in the early-modern period
Brakensiek, Stefan: Mitunternehmerschaft. Amtsträger im territorialen Staatsbildungsprozess des Alten Reichs
Dieser Panelbericht ist Teil der infoclio.ch-Dokumentation zu den 5. Schweizerischen Geschichtstagen