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Unnötige Verschulung oder notwendige Strukturierung? Perspektiven des Promotionsstudiums in den Geschichtswissenschaften

Autor / Autorin des Berichts: 
Beatrice Kübli (SAGW, Bern)



Zitierweise: Kübli, Beatrice: Unnötige Verschulung oder notwendige Strukturierung? Perspektiven des Promotionsstudiums in den Geschichtswissenschaften, infoclio.ch Tagungsberichte, 2011. Online: infoclio.ch, <http://dx.doi.org/10.13098/infoclio.ch-tb-0005>, Stand:


Graduiertenschule – Die Zukunft des Doktorats?

Seit der Bologna-Reform sind die Studiengänge, vor allem jene der Geistes- und Sozialwissenschaften, deutlich strukturierter als zuvor. Das macht sich auch auf der Doktoratsstufe bemerkbar. An der Tagung «Unnötige Verschulung oder notwendige Strukturierung? Perspektiven des Promotionsstudiums in den Geschichtswissenschaften» vom 8. April 2011 in Bern konfrontierte die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte (SGG) die Teilnehmenden mit Fragen zu Betreuung, Selbstorganisation, Inhalt und Ausrichtung moderner Promotionsstudien.

Einsam sitzt er am Schreibtisch seiner kleinen Mansarde, vor sich den Computer. Rechts stapeln sich die Bücher, links die Thermoskanne mit Kaffee. So stellt man sich einen Doktoranden der Geisteswissenschaften vor. Doch dieses Klischee ist längst überholt. Graduiertenschulen sind der neue Trend. Wird neuerdings im Klassenverband doktoriert?

Teil einer Community
Der Vorteil von Graduiertenschulen ist, dass die Absolventen einer Community angehören. Egal ob es sich um eine Graduiertenschule mit starken oder sehr flexiblen Strukturen handelt, die Absolventen sind Teil eines Netzwerkes und in einen gewissen Zeitplan integriert. Dadurch vermindert sich die Orientierungslosigkeit, Krisen werden besser gemeistert und der inhaltliche wie persönliche Austausch wird vereinfacht. Für eine Graduiertenschule sind zudem mehrere Dozierende verantwortlich: Die Absolventen sind nicht mehr von einem Doktorvater oder einer Doktormutter abhängig und erhalten unterschiedliche Inputs.

Verlust von Flexibilität
Das Promotionsstudium wird jedoch durch Graduiertenschulen auch unflexibler, was für Berufstätige oder Eltern zu Belastungen führt. Problematisch ist weiter, dass die Themen der Doktoratsschulen weitgehend den gesellschaftlichen Trends folgen und gegenwärtig nicht aktuelle Themen sich nicht so einfach einpassen lassen. Es bestehe die Gefahr der Quantifizierung, wurde weiter kritisiert. Sobald sich die Doktoratsstudien in Ablauf und Zeit ähneln, eigenen sie sich als Evaluationsmasse und damit als Grundlage für die Leistungsmessung. Befürchtet wurde auch, dass der wirtschaftliche Hauptzweck eines Doktorates, Fähigkeit zur Selbstorganisation zu beweisen, durch die Verschulung gefährdet wird. Gerade der wirtschaftliche Zweck wird indes überschätzt. Ein Doktorat wird in der Wirtschaft kaum gefordert.

Struktur und Inhalt
Strukturell gibt es in Graduiertenschulen alles – von festen Schulklassen bis zum losen Baukastensystem. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Schulen funktioniert auf inhaltlicher Ebene gut, in finanziellen Angelegenheiten wechselt die Strategie jedoch von Kooperation auf Konkurrenz.
Allein für die Geschichtswissenschaften gibt es viele verschiedene Graduiertenschulen. (Einen Überblick gibt infoclio.ch.) Die meisten Schulen sind interdisziplinär ausgerichtet sind. Ein Trend, meinen die einen und Susanna Burghartz (Universität Basel) erklärte: «Innovation braucht nicht zwangsläufig Interdisziplinarität. Das scheint in der Bildungspolitik manchmal etwas vergessen zu gehen». Unabdingbar, meinen die anderen. «Interdisziplinarität ist eine enorme Bereicherung», so Cecile Stehrenberger (Universität Zürich), «setzt aber voraus, dass die eigene Forschung auf ein allgemein verständliches Niveau heruntergebrochen werden kann». Interdisziplinäre Forschung erweitert den Horizont, hilft, methodische Vorlieben und Prägungen zu überwinden und führt zu Themen, auf die man sonst nie gekommen wäre. Letzteres ist ein Aspekt, dem im Doktorvatersystem zu wenig Bedeutung zukommt. «Die 50jährigen denken vor, was die 30jährigen erforschen sollen, und die immer gleichen Fragen werden immer wieder neu untersucht», kritisierte Simon Teuscher (Universität Zürich) das System. Er verglich auf unterhaltsame Weise das Doktorsystem mit dem einer Familie und wünschte sich, für die Doktorväter und -mütter «mehr Mut zur Fremdbetreuung ihrer Schützlinge».

Vieles bleibt offen
Hauptmotivation für ein Doktoratsstudium ist, mehr über ein Thema zu erfahren. Das zeigte sich in der Diskussion, welche sich primär um die inhaltliche Ausrichtung drehte, nicht aber um Kompetenzen, die in der Arbeitswelt von Nutzen sein könnten. Die Frage, welche Kompetenzen ein Doktoratsstudium vermitteln soll, blieb weitgehend offen. Einige Hinweise dazu fand man in den Präsentationen der Graduiertenschulen, die unterschiedlich stark auf Kompetenzen wie Präsentationstechniken und Teamarbeit achten.

Finanzierung
Im letzten Teil der Tagung wurde die Finanzierung der Doktoratsstudien diskutiert. Dies vor dem Hintergrund, dass die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) das Mandat für die PostDocs entzogen hat. Die CRUS will damit die Kompetenzen zur Ausbildung der Doktoranden wieder den Universitäten zurückgeben. Trotz der Versicherung seitens CRUS und SNF, dass die Doktorate weiterhin finanziert würden, blieb grosse Verunsicherung und Skepsis bei den Teilnehmenden.

Manifestazione: 
Unnötige Verschulung oder notwendige Strukturierung? Perspektiven des Promotionsstudiums in den Geschichtswissenschaften
Organizzato da: 
Schweizerische Gesellschaft für Geschichte
Data della manifestazione: 
08.04.2011
Luogo: 
Bern
Lingua: 
d
f
Report type: 
Conference